Andrea S.
Der Wert des Augenblicks
Ich war 27 Jahre alt, lebte in Spanien und hatte gerade im Licht der Herbstsonne ein tiefsinniges Gespräch über den Wert des Augenblicks geführt. Bereits wenige Stunden später lernte ich, wie wichtig das Leben im Hier und Jetzt ist und dass nichts so selbstverständlich ist, wie es mir immer schien.
Ich erfuhr aus Deutschland, dass mein Vater wahrscheinlich an Leukämie erkrankt ist und meine Oma im Sterben lag. Willkommen im Leben...
Zehn Monate nach meiner Rückkehr in meine Heimatstadt befand ich mich selbst als Patientin in der Klinik, in der mein Vater behandelt wurde. Der Grund: Verdacht auf eine bösartige Veränderung in der Brust. Zwar wurde in meiner Brust kein Tumor gesehen, aber da es Hinweise auf einen Tumor gab, wurde ich operiert. Meine Ärztin hatte mich aufgrund meines Alters nicht ernst genommen, und ich hatte einem Psycho-Onkologen auf der Leukämiestation meines Vaters den Termin zur Mammographie zu verdanken.
Bis zum Tag der Diagnose dachte ich, ich würde kurz darauf meinen neuen Job antreten. Doch der Verdacht bestätigte sich. Nach der Beschreibung der Ärzte und ihren besorgten Blicken schien es sehr ernst zu sein. Bald darauf verlor ich meine rechte Brust. Ich fing an, mich mit Brustkrebs, mir selbst und alternativen Heilmethoden zu beschäftigen. Ich lernte z. B., meine Gedanken positiv zu steuern und dadurch mein körperliches und seelisches Befinden zu verbessern. Man kann lernen, Gedanken positiv zu steuern. Während ihrer Rehas an der Nordsee entdeckte Andrea ihre Liebe zum Surfen. Seit sieben Jahren begleitet sie ihr treuer Hund.
Zudem habe ich meine Ernährung umgestellt und bin seitdem Vegetarierin. Kurz nach meiner Diagnose starb mein Vater. Da ich während der Behandlung von der Schulmedizin sehr enttäuscht war, kam der Wunsch auf, meine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und zusätzlich andere Heilmethoden zu nutzen. Deshalb lehnte ich später die Antihormontherapie ab. Aus heutiger Sicht würde ich mich wohl auch gegen die Chemo- und Strahlentherapie entscheiden.
Ich hatte eine schwere Zeit – auch heute manchmal. Doch in vielerlei Hinsicht war mir meine Erkrankung auch ein Freund. Durch sie habe ich gelernt, auf mich acht zu geben, zu schauen, was mir im Leben wichtig ist und dem Leben selbst viel mehr Wert beizumessen.
Ich schrieb damals mit einem Freund eine Wunschliste, auf der ich alles notierte, was ich noch tun und in meinem Leben ändern wollte. Seitdem habe ich mir einige Träume erfüllt, einiges geändert und meine Wünsche immer wieder überprüft. Seit sieben Jahren habe ich einen Hund als Begleiter, besitze einen alten Campingbus und habe während meiner Rehas an der Nordsee meine Leidenschaft für das Surfen entdeckt.
Ich arbeitete jahrelang Teilzeit, einerseits weil ich nach der Behandlung weniger belastbar war, vor allem aber weil mir Zeit viel wertvoller ist als Materielles. Ich mache mir immer wieder aufs Neue bewusst, dass das Leben jetzt stattfindet und nicht erst dann, wenn ich perfekt vorbereitet bin.
Heute ist das Meer meine zweite Heimat. Ich ziehe sehr viel Kraft aus der Natur, liebe es, Tiere zu beobachten und um mich zu haben. Sie zeigen mir, wie man im Augenblick lebt und mit Kleinigkeiten glücklich ist. Yoga ist ebenso wie die Natur ein Lebenselixier für mich. Zur Zeit mache ich eine Yogalehrerausbildung. Mein Traum ist es, die positiven Wirkungen von Yoga auf Körper und Geist anderen Menschen zu vermitteln und vielleicht der ein oder anderen Frau nach Brustkrebs damit helfen zu können.
Bis heute, nach fast 9 Jahren, habe ich keinen Brustaufbau gemacht. Vielleicht entscheide ich mich später dafür, doch derzeit ist eine OP kein Thema für mich. Seit kurzem bin ich als Model für Anita tätig und habe große Freude daran, anderen Frauen zu zeigen, dass man sich ohne Brustaufbau nicht einschränken muss und sich wohlfühlen kann. Auch wenn es seltsam klingt: Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich durch die Krankheit machen durfte. Trotz all der Sorgen und Ängste ist die Krankheit tatsächlich mit das Beste, was mir passiert ist.