Annette Rexrodt
Krebs - und was kann ich selbst tun?
Alle anderthalb Minuten fällt die Diagnose Krebs Plötzlich scheint die Erde einfach stehen zu bleiben. Um mich herum wurde es still, es gab kein oben und kein unten mehr, die Erde hörte auf sich zu drehen, die Zeit blieb stehen, ich war alleine, ganz alleine mit mir. Ich hörte mein Herz klopfen, spürte meinen Atem, Tränen wollten fließen, aber sie kamen nicht. War das nur ein Albtraum?
Ich wollte raus aus diesem Traum, aber er war Wirklichkeit: Vor ein paar Augenblicken hatte man mir vorsichtig eröffnet, dass ich Brustkrebs habe, einen riesigen Tumor, der die ganze Brust und Lymphknoten befallen hatte. Nun ist es vierzehn Jahre her, seitdem das Leben meiner Familie und mir seine uns bis dahin verschlossenen Türen des Leids öffnete und uns herausforderte. Völlig
unvorbereitet wurden wir aus unserem vertrauten Alltag gerissen. Niemand hatte damit gerechnet, dass der Tod seine Krallen nach mir ausstrecken wollte.
Ich war erst 35 Jahre alt. Meine Kinder waren gerade einmal drei, fünf und sieben Jahre jung. Die Überlebenschancen waren gering. Man gab mir lediglich 15 Prozent. Noch nie zuvor war mir so deutlich klar geworden, wie allein man sein kann, wenn man am Abgrund steht.
Häufig werde ich heute gefragt, warum ich glaube überlebt zu haben? Viele Menschen möchten am liebsten einen Leitfaden von mir. Sie wollen hören, wie man es schaffen kann, den Krebs zu besiegen. Natürlich gibt es auf diese Frage keine einzelne und sichere Antwort. Heilung ist immer ein vielschichtiges Geschehen wie die Krankheitsentstehung auch. Ich hatte damals nach dem neuesten Stand der Wissenschaft alle notwendigen Therapien erhalten: Operation, Chemo-Strahlentherapien, Antihormontherapie. Meine Familie war da, meine Freundin … Ich denke jedoch, dass die Hoffnung eine sehr wichtige, ja entscheidende Rolle gespielt hat, im Prozess wieder stark zu werden. Obwohl ich statistisch gesehen auf der Verliererseite stand, hatte ich mich für die Hoffnung entschieden.
"Vielleicht schaffst du es ja!" Diesen Gedanken „drehte“ ich laut und begann, ihn zu pflegen. Ich wurde aktiv, suchte nach Lösungen und entwickelte ganz eigene Strategien, um die Zügel für das Leben wieder in meinen Händen zu spüren. Die Hoffnung hat den Weg geebnet, wieder gesund zu werden. Und sie ist über die Jahre hinweg zu meinem ganz eigenen inneren Wegbegleiter geworden, den ich behüte wie einen Schatz und den mir auch niemand mehr wegnehmen kann. Dieser Wegbegleiter war es, der mich hat kritisch, wissbegierig, achtsam, wachsam und fürsorglich zu mir selbst werden lassen.
Und mit ihm – der Hoffnung - ist Leben lebendig geblieben. Was kann ich tun, damit der Krebs nicht wiederkehrt? - Einen guten Pfad für das Leben findenNach meiner anfänglich ungeduldigen Suche, einen Leitfaden für Gesundheit, ja, Lebenssicherheit zu finden, habe ich im Laufe der Zeit erfahren, dass ich am Leben vorbeilebe, wenn ich es festzuzurren versuche. Es ging letztendlich vielmehr darum, mir wirklich etwas Gutes im Jetzt zu tun.
Die Freude am Leben, Neugier, Wissensdurst, Expertenmeinungen, fürsorgliche und erfahrene Ärzte, meine Erfahrungen und Erkenntnisse, das alles bereitete mir schließlich Tag für Tag einen Pfad, auf dem zu gehen ich seelisch wie auch körperlich Stärke, Kraft, Freude und Wahrhaftigkeit finde.
Natürlich ist dieser Pfad keine Garantie dafür, dass der Krebs nicht wiederkehrt. Darum geht es mir auch gar nicht (mehr), denn es gibt eine solche Garantie nicht. Nicht der Krebs, sondern das Leben selbst ist Dreh und Angelpunkt meines Seins. So achte ich auf eine ausgewogene Ernährung, die mir schmeckt und auch bekommt und auf regelmäßige Bewegung. Ich starte den Tag mit dem Ölziehen und gönne mir während des Tages mehrere kleine Auszeiten. Multitasking habe ich mir abgewöhnt, und wenn ich abends zu Bett gehe, lasse ich die positiven Momente des Tages noch einmal Revue passieren.
Ich muss nicht perfekt sein, darf auch Fehler machen, und ich versuche jeden Tag, mit mir selbst respektvoll und liebevoll umzugehen. Heute weiß ich, dass es für meine damaligen ungeduldigen Herzensfragen „Werde ich gesund?“, „Darf ich erleben, wie meine Kinder groß werden und was kann ich selbst dafür tun?“ keine absoluten und vor allem keinerlei schnellen Antworten gibt. Wie groß war doch die Ungeduld meines Herzens gewesen! Erst mit der Zeit, Schritt für Schritt und über Jahre erlangte ich Wissen, gewann Einblicke, die meine Sicht schärften, mich gelassener und auch kritischer werden ließen. So lernte ich allmählich, meine Fragen zu leben, und dabei wurde das Leben selbst mein größter Lehrmeister.
Bücher und Ratgeber Broschüren von Annette Rexrodt von Fircks, sowie Informationen über die 2005 von ihr gegründete Rexrodt von Fircks Stiftung finden Sie hier.