Steffi Berke

Mutterglück nach Krebsdiagnose

Das eigene Baby endlich im Arm zu halten, ist für viele Eltern der schönste Moment ihres Lebens. Vor 14 Jahren dürfen wir dieses Glück erleben. Dann kommt der Krebs. Ich bin 33 und mein Leben ist perfekt. War perfekt. Brustamputation, sechs Mal Chemotherapie. Ich lasse meine Eierstöcke medikamentös schützen und ich mache einen Gentest. Im Oktober 2008 beginnt die Chemo. Ich treffe mutige Frauen, die wie ich sind. Im Januar folgt die Bestrahlung. Alles tut weh. In der Kur habe ich genau drei Wochen Zeit, mein Leben zurück zu holen.

Aber es ist nicht wie vorher. Unsicherheit und Angst blockieren mich. Monate später ist das Ergebnis des Gentests da: Ein mutiertes BRCA2-Gen. Die verbliebene Brust wird im Oktober 2010 amputiert. Ich bestelle im Voraus neue BH’s, eine zweite Brustprothese und melde mich für die Modenschau mit betroffenen Models in meinem Sanitätshaus an. Was für tolle Frauen. Und was für tolle Dessous. Ich fühle mich weiblich und sexy. Ich bin eine junge Frau mit zwei tollen Brüsten, die ich abends in den Schrank lege.

Es ist schön, das Leben endlich wieder zu spüren. 2011 nehme ich wieder an einer ANITA-Modenschau teil. Als Model. Mein Herz wird erfüllt von Zufriedenheit und Sinn. Die Blicke der Frauen, die wie ich sind, tun gut. Ich bin dankbar für jeden Moment, den ich erleben darf. Meine Kolleginnen haben es nicht leicht mit mir. Ich rede zu viel. Der Krebs machte mich stumm, aber jetzt rede ich, um mich lebendig zu fühlen.

 

2014 stirbt meine Mutter. Eierstockkrebs. Alles ist wieder da und die Angst frisst mich auf. Ich falle in eine Endlosschleife der Wut. Das Leben ist nicht fair. Ich wusste, dass mein Gefühl mich nicht trügt. Ich habe alles richtig gemacht. Ich bin 39 und mein Kind ist 12 Jahre alt. Ich werde nicht noch einmal Krebs bekommen. Es wurde mir empfohlen, die Eierstöcke irgendwann entfernen zu lassen, aber dass es jetzt so konkret wird, macht mir Angst.

Wir wollten doch noch ein Kind! Ich habe jeden Tag das Ende der Hormontherapie herbeigesehnt. Fünf lange Jahre. Meine Freundinnen haben die Zeit genutzt. Das zweite, dritte und vierte Kind bekommen. Ohne Krebs. Ohne Angst. Ohne Gefühl, vom Leben verlassen worden zu sein. Ich war immer nur die „Kranke“. Aber mein Arzt macht mir Mut. 

Das Risiko, nach einer Schwangerschaft erneut zu erkranken, ist statistisch nicht erhöht. Andere Mütter sind weniger nett: „Du willst noch ein Kind? Und wenn Du dann stirbst?“ Sterben wir nicht alle? Niemand weiß, was in der nächsten Sekunde des Lebens passiert. Wie können diese Frauen so überheblich urteilen, obwohl sie niemals durchmachen mussten, was ich erlebt habe? 

August 2015. Ich bin schwanger. Das Leben ist in mir. Wahnsinn. An manchen Tagen denke ich, dass ich mir das alles nur einbilde. Ich bin hin- und hergerissen. Was passiert, wenn ich das Kind verliere? Oder wenn ich wieder krank werde? Wenn dann alle sagen „Selbst schuld. Wir wussten ja, dass das nichts wird…“ Aber wer ist denn überhaupt „alle“? Die waren auch „alle“ nicht wirklich da, als ich krank war. Und ist es nicht einfach furchtbar egal, was andere denken?  Ein Drittel der Schwangerschaft liegt hinter mir und nun ist es an der Zeit, die Katze aus dem Sack zu lassen.

Ein Abend mit Freunden. Wie macht man das denn so locker wie möglich? Als ich alkoholfreies Bier möchte, herrscht plötzlich Stille. „Ich bin schwanger!“. So! Endlich fällt der Druck ab und wir verbringen den ersten, „offiziell schwangeren“ Abend. Und die ehemalig „Kranke“ ist ab jetzt die „Schwangere“. Alles verläuft perfekt. Mitte Dezember 2015 sind die letzten Modenschauen absolviert. Ich bin so stolz auf mich und alle freuen sich mit mir!

Ich sehe toll aus und all meine Befürchtungen haben sich in Wohlgefallen aufgelöst. Mein Bauch war ein echter Hingucker! Aber ich liebe meinen Job für ANITA und bin nun doch traurig, dass es damit nun erst mal zu Ende ist. Das neue Jahr ist da und die Schwangerschaft verläuft fantastisch.

Bereits vor Sylvester werde ich auf die kurz bevorstehende Entbindung angesprochen… mein Bauch muss wohl sehr dick sein. Der errechnete Geburtstermin ist doch erst im April. Ich habe Befürchtungen, bis dahin geplatzt zu sein! 

Im März habe ich endlich eine Hebamme! Es war die 56te, die ich seit Februar angerufen hatte – Hebammen sind ausgebucht! Sie fragt mich doch tatsächlich, ob ich stillen möchte? „Oh, sorry, ich hatte ja ganz vergessen…!“ Meine Güte, das kann ja mal passieren, dass man vergisst, das ich keine Brüste habe. Eigentlich ja sehr schön, dass man so etwas vergessen kann. Ich vergesse es ja auch täglich!

Es sind nur noch vier Wochen bis zur Geburt. Hilfe! Mein Herz bleibt kurz stehen und dann schlägt es weiter, als ob nichts geschehen ist. Es gibt nun kein Zurück mehr. Das Baby kann kommen! Alles ist bereit. Der Geburtstermin ist da. Es passiert nichts! Nicht das geringste Ziehen im Bauch. Nichts! Das Baby macht keinerlei Anstalten, freiwillig zu kommen. Der erste Termin im Krankenhaus. Ich habe drei Tage Frist, aber das Kind macht es sich häuslich bequem! So hatte ich mir das nicht vorgestellt! Endlich Wehen. Gleich sind wir Eltern und es ist jetzt zwecklos, in Panik zu verfallen. Wir läuten an der Kreissaaltür. Jetzt will ich nur noch mein Baby kriegen…

Die Geburt verläuft „individuell“. Mein Plan war: Kind kriegen, duschen, ab nach Hause! Der Plan des Kindes war: Kopf in den Nacken und nichts geht mehr! Natürliche Geburt nahezu ausgeschlossen. Sechs Stunden versuchen wir in sämtlichen Geburtspositionen, dem Babykopf doch noch irgendwie den richtigen Dreh zu verpassen, aber es ist zwecklos. Und so fällt die Entscheidung auf eine Entbindung per Kaiserschnitt. Ungeplant, aber das beste Ereignis des Tages!

Und am 17. April 2016 um 6:33h ist Elena Catarina endlich da! Gesund und entspannt, als ob nichts gewesen wäre! 

 

Einen noch ausführlicheren Bericht von Steffi Berkes gefühlvollem Lebensabschnitt finden Sie auf unserem Blog.

 

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